Montag, 28. Juli 2014

Ich weine – Politik, Krieg und Kinder

Ich habe folgenden Text schon vor zwei Tagen im Facebook veröffentlicht. Möchte das aber auch noch einmal hier gerne tun. Denn ich finde ihn wichtig. Er soll und darf nicht einfach so auf einer Pinwand nach unten rutschen.


„Willst du dich nicht auch mal zur politischen Situation äußern? Bist du denn gar nicht politisch?“, fragte man mich.
Natürlich bin ich das. Jeder Mensch, der in einer Gesellschaft, einer Stadt (polis), lebt, agiert und denkt letztendlich politsch. Bin ich als Kinderbuchautorin verpflichtet, mich öffentlich zu äußern? Vielleicht.
Ich weine. Und das kann jeder ganz wörtlich nehmen. Umtobt von Kriegen weine ich nur noch. Hilflos starre ich auf die Bilder und verstehe sie nicht.
Jemand, der mich kennt, könnte nun rufen: „Aber Frau Herden, du weinst doch immer!“ Nun ja, das stimmt. Und genau das ist das Problem. Jemand, der sich dermaßen berühren und erschüttern lässt, muss sehr genau überlegen, wie er sich engagieren kann. Hass und Mitleid helfen nicht, sondern Verstand und Mitgefühl. Doch ich leide. Wer Bomben schmeißt, ist ein Mörder. Egal, ob er angefangen hat oder nicht. Und dann beginne ich zu hassen.
Ich rette mich in eine fatalistische Misanthropie. Sage mir: Ich bin von Idioten umgeben. Idioten, die sich gegenseitig umbringen, und wenn sie damit fertig sind, zerstören sie den Rest des Planeten, ihre eigene Heimat. Mir fällt dazu nichts weiter ein. Einziger Trost ist: Die Menschen werden nicht gewinnen! Egal welche Spur der Verwüstung sie anrichten, irgendwann sind sie weg und die Natur, die Erde, wird sich wieder aufrichten, bedauernd ihr mächtiges Haupt schütteln und auf der To Do-Liste hinter den Stichpunkt Menschen BLÖDER FEHLER schreiben.
Und ich? Ich habe die Kinder gewählt. Denn sie, allein sie, vermitteln mir Hoffnung. Eine Hoffnung, die die Misanthropin nicht braucht, aber die die Frau und Mutter in mir erfleht. Darum schreibe ich. Darum lese ich. Für Kinder.
Dass die Großen sich über sie hinwegsetzen, ihnen Regeln aufdrängen, angeblich diplomatische Regeln, die letztendlich zu Kriegen führen können, lässt mich manchmal wütend in mein Kissen beißen. Dazu hier einmal ein Beispiel:
Es ist an der Schule meines Sohnes verboten, sich zu prügeln, sich zu schlagen, sich zu stoßen, sich anzuschreien, jemandem die Mütze vom Kopf zu ziehen, eine Kastanie oder einen Schneeball nach jemandem zu werfen. Stattdessen soll man denjenigen, über den man sich geärgert hat, sofort an die Direktion VERPETZEN. Auch jeden anderen, den man nur beobachtet hat, bei etwas, das eventuell verboten ist.
Ich finde das ganz ganz schlimm. Ich möchte die Menschen nicht kennenlernen, die daraus entstehen.
Letztens gab es in der Klasse meines Sohnes einen Disput zwischen zwei Jungen, der einfach nicht geklärt werden konnte. Gemeinsam wurde beschlossen, diesen nach der Schule in einem Kämpfchen auszutragen. Also lief die halbe Klasse nach dem Unterricht zu einer versteckten Unterführung. Es wurden genaue Regeln für das Kämpfchen beschlossen. Dann traten sich die beiden gegenüber und versuchten sich eins auf die Nase zu geben. Als beide erschöpft waren und jeder einen ordentlichen Schwinger abbekommen hatte, wurde der Disput für beendet erklärt. Die Jungs gaben sich die Hand und teilten sich eine Flasche Limo. Gemeinsam liefen alle nach Hause und besprachen noch etwas den Kampf. Alles war gut.
Leider erzählte eines der Mädchen zuhause davon. Empört riefen deren Eltern in der Schule an. Es gab einen Rieseneklat, der leztendlich die Klasse spaltete in Verräter, Feige, Mitläufer, Neutrale, Gleichgültige, Freidenker und Schläger.
Und ich? Am liebsten hätte ich den verantwortlichen Erwachsenen alle Bände des Kleinen Nicks um die Ohren gehauen.

2 Kommentare:

  1. Du hast ja so recht: Wir errichten in der Schule scheinbare Paradiesgärtlein, regeln alles, vernichten Vielfalt, statt das Selbstwertgefühl der Kinder zu stärken, ihnen zuzutrauen, ihre eigenen Lösungswege zu finden und Formen des Miteinanderumgehens, und lassen natürliche Unterschiede in keiner Hinsicht zu.
    Doch wir betreiben Augenwischerei, wenn wir meinen, Interessenkonflikte ausschalten zu können, und fördern damit gleichzeitig das Gefühl von Benachteiligung Einzelner oder sozialer Gruppen. Das wiederum entlädt sich in Fanatismus, Hass, Vorurteilen, religiösem Fundamentalismus und wird genutzt von machtgierigen Gruppen oder Einzelnen. Und die Folgen davon beweinst du an dieser Stelle nicht alleine...
    Ja, auch ich bin reichlich desillusioniert, was die menschliche Vernunft angeht. Du hast recht: Irgendwann wird der ganze Versuch "Mensch" als blöder Fehler der Evolution angesehen werden...
    In diesem Sinne!
    Astrid, die wünscht, "Kriege gehören ins Museum" ( so gesehen letzte Woche in Wien )

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  2. da ich mich momentan auch sehr an meiner näheren und weiteren umgebung "reibe" (manchmal auch, bis die tränen kommen), fühl ich mich durch deinen post nun etwas gestärkt (sozusagen durch gemeinsame hilflosigkeit;) immer mehr geistert der john lennon spruch in meinem kopf herum: stell dir vor, es ist krieg und keiner geht hin. den beziehe ich mittlerweile auf ganz viele hirnrissige"termine";)
    sei gegrüßt von birgit, die immer öfter denkt, dass sie wieder in der ddr gelandet ist (und das nicht nur wegen des verpetzens;)

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